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Gangstagrass: The Blackest Thing On The Menu

Sie verbinden Bluegrass mit Hip Hop und es entsteht tolle Musik.

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Gangstagrass – The Blackest Thing On The Menu Gangstagrass – The Blackest Thing On The Menu. Bildrechte: Rench Audio

Die Diskussion um die schwarzen Beiträge zur Countrymusik ist den USA seit Beyoncés „Cowboy Carter“ und Alice Randalls „My Black Country“ voll entfacht. Da passt es, dass nun auch weitere schwarze Künstler neue Country-Alben veröffentlicht haben. Swamp Doggs Album „Blackgrass“ haben wir an dieser Stelle ja vor kurzem besprochen. Nun hat die Gruppe Gangstagrass ihr siebtes Album The Blackest Thing On The Menu veröffentlicht. Sie bestehen bereits seit 2006 (!) und verbinden Bluegrass mit Hip Hop.

Countrymusik war schon immer von afroamerikanischen Elementen geprägt

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Das wird wieder einige Countryfreunde entzürnen und den Untergang der Countrymusik an die Wand malen lassen. Doch halten wir kurz in all dem Pulverdampf inne. Die Countrymusik hat sich schon immer durch die Aufnahme von afroamerikanischen und urbanen Musikelementen weiterentwickelt. Wir erinnern uns: Die Countrymusik wurde mit dem „Big Bang“, der Entdeckung der Carter Family und Jimmie Rodgers bei den Auditions 1927 in Bristol, Tennessee, Virginia geboren. Jimmie Rodgers verband Hillbilly-Töne mit Blues und Jazz-Elementen. Diese afroamerikanischen Einflüsse hatte er von schwarzen Bahnarbeiterkollegen, aber auch von Musikern wie Louis Armstrong und Lil Hardin.

In den 1930ern und 1940er Jahren experimentierten Bill Monroe und Bob Wills in den Appalachen und in Texas, Oklahoma mit der Mischung von klassischer Stringbandmusik mit afroamerikanischen Elementen wie Ragtime, Blues und Swing. Monroe hatte den schwarzen Lehrmeister Arnold Shultz und Bob Wills spielte in Tulsa, Oklahoma, im Cain’s Ballroom unweit der Schwarzenviertel und hatte da keinerlei Berührungsängste.

Cowboysongs, Bluegrass, Western Swing; Die Country-Kultur gehört auch den Afroamerikanern

Merke: Weiße Musiker in den durch Rassentrennung geprägten Südstaaten nahmen sehr gerne afroamerikanische Elemente in ihre Musik auf. Denn die Rassengrenzen wurden im Verborgenen ohnehin oftmals durch das Zusammenspiel der Musiker aufgehoben. So wie sie beispielsweise in der Zusammenarbeit der Cowboys im Westen auch keine spielten: 25 Prozent der Cowboys waren Schwarze, 25 Prozent Mexikaner, 25 Indianer und 25 Prozent Weiße. Der von weißen Angelsachsen geprägte amerikanische Geschichtsschreibung, von den Hollywood-Western bis zur Marlboro-Werbung, unterschlug dies und propagierte alleine den weißen Cowboy. Dass die schwarzen Cowboys maßgeblich auch die Cowboy-Songs als eine der Wurzeln der Country- und Westernmusik prägten und dass es mit Herb Jeffries auch einen schwarzen singenden Cowboy gab, wurde da natürlich auch lange unterschlagen.

Die Country- und Westernkultur gehört auch den Afroamerikanern. Oder wie es Dom Flemons schon gesagt hat: „Viele Schwarze hören Country und sind Fans der Musik.“ Und sie spielen sie bringen sie immer wieder mit neuerer afroamerikanischer Musik zusammen. Aber: „Es scheint für das Country-Business und viele Hörer immer noch schwer hinnehmbar, wenn Schwarze Country singen. Wenn aber Weiße den Blues singen, dann wird das bewundert“, sagte mir Dom vor ein paar Jahren in Chicago anlässlich der Kontroverse um „Old Town Road“ von Lil Nas X.

Zudem sind die Genregrenzen ohnehin künstlich gesetzt. Als es noch keine massenhaft industriell gefertigten Tonträger gab spielte man im Süden Old Time oder Hillbilly Music. Erst als die Musikindustrie ihren Tonträgerverkauf vor dem Hintergrund der vermeintlichen Zielgruppen und der Gesetze der Rassentrennung ordnen wollte, entstanden die schwarze „Race Music“ (Blues, Jazz) und die weiße Country Music. „Race Music“ gibt es heutzutage nicht mehr, Country Music schon. Und sie ist eben auch schwarz und entwickelt sich immer weiter. Und der weiße Country-Star Keith Urban ließ sich auf seinen Alben auch schon vom Hip Hop inspirieren.

Gangstagrass sind moderne, legitime Nachfolger von Bill Monroe

Und dieser Hip Hop ist in den urbanen Schwarzenghettos entstanden, so wie der Blues seinen Ursprung in den ländlichen Baracken der schwarzen Pflanzer und Landarbeitern hatte. Und wie schon der große Bob Dylan weiß, ist der Hip Hop dem Blues recht nahe, weil er sich aus der afroamerikanischen Volkskultur entwickelt hat. Und zu den afroamerikanischen Rappern schreibt er in seinen „Chronicles“, dass Ice-T, Public Enemy, NWA, Run DMC nicht nur herumstehen würden und große Reden schwingen würden. „Sie hauten auf die Drums und auf den Putz und schmissen Pferde von den Klippen. Sie waren allesamt Dichter und wussten, was Sache war.“

Und so ist es das Natürlichste auf der Welt, wenn heute „Gangstagrass“ Bluegrass mit Hip Hop vereinen. Sie sind moderne, legitime Nachfolger von Bill Monroe. Ganz selbstironisch mischen sie in ihrem Bandnamen den Begriff „Gangsta-Rap“ mit Bluegrass. Gangsta-Rap ist eines von der Musikindustrie gern aufgebautes, fragwürdiges Subgenre. Da das Publikum des Genres überwiegend aus weißen Mittelklassejugendlichen besteht, wurden gegen die Interpreten selbst immer wieder Vorwürfe erhoben, sie würden wie in früheren Blackface-Darstellungen nur das Klischee des Schwarzen bedienen, indem sie ihn zur Belustigung der Weißen als unkultiviert, ignorant und schlimmstenfalls als gefährlich und kriminell darstellten.

Von diesen bösen Klischees sind „Gangstagrass“ weit entfernt. Die Jungs um MC und Sänger Dolio the Sleuth sind zu den Ursprüngen des Hip Hop zurückgekehrt. Ihre Haltung und ihre Texte sind human, verbindend, divers und sozialkritisch. Ihre Musikmischung aus Rap und Bluegrass ist mitreißend und tanzbar. Wer sich davon überzeugen will, der kann auf youtube ihren Auftritt bei America‘s Got Talent aus dem letzten Jahr ansehen.

The Blackest Thing On The Menu

Und nun also „The Blackest Thing On The Menu”. Die Idee für den Albumtitel entstand letztes Jahr, als die Band in einem „Blues-Restaurant in meiner Heimatstadt“ zu Abend aß, erklärt Dolio the Sleuth. „Es gab ein Menü zum Thema Juneteenth, das eine Reihe scharfer ‚Blackened‘-Gerichte enthielt. Einer von uns fragte den Kellner nach ‚dem schwärzesten Gericht auf der Speisekarte‘ und es stellte sich heraus, dass es geschwärzte Garnelen und Käsegrütze waren … die wir natürlich alle bestellten.“

Mit der Zeit bekam der Titel eine völlig neue Bedeutung, „insbesondere in diesem Moment der Konversation über Rasse und Countrymusik, nachdem wir auf so vielen Bluegrass- und Folkfestivals gespielt hatten, wo der schwarze Einfluss auf die Countrymusik nur durch uns repräsentiert wurde“, erklärt Gitarrist Rench. „Wir versuchten eine Weile, einen Albumtitel zu finden, bis zu dem Punkt, an dem wir wirklich alle möglichen lustigen Ideen einbrachten, und dieser hier schien anfangs lustig, weil er so frech war, dass wir im Tourbus lachten. Aber dann hörten wir auf zu lachen und uns wurde klar, wie passend er ist.“

Dolio fasst zusammen: „Wir haben erkannt, dass wir bei Festivals tatsächlich das Schärfste auf der Speisekarte sind, das mit dem intensivsten Geschmack. Dieses Album vereint Schärfe, Würze, Geschmack und Hausmannskost in einem.“ Denn sehr oft sind Gangstagrass bei Bluegrass-, Folk- und Countryfestivals in den USA die einzigen Band mit schwarzen Musikern. Mit Schärfe und Würze des Hip Hop und dem Geschmack der Hausmannskost des Bluegrass sind dann auch die zehn neuen Songs ausgestattet.

Bluegrass & Hip Hop meets Funk

Und ihr neues, siebtes Album ist ein unheimlich vielseitiges Album geworden. Typische Hip Hop-Bluegrass-Fusion-Töne (The Only Way Out Is Through) mischen sich mit Funk-orientierten Stücken (Good at Being Bad) und dem typisch staubig-trockenen Western-Bluegrass-Hip Hop (Gone Gone). „Good at Being Bad“ wurde vom Grammy-Preisträger Lawrence „Boo“ Mitchell koproduziert und in den legendären Royal Studios in Memphis, Tennessee, aufgenommen. Mitchell hat u.a. schon mit Al Green, Solomon Burke, Anthony Hamilton, Rod Stewart und John Mayer zusammengearbeitet. „Die Zusammenarbeit mit Gangstagras war großartig“, erklärt Boo Mitchell. „Ich kannte sie schon seit ein paar Jahren und fand es toll, was sie machten. Sie mischen Bluegrass mit Hip-Hop! Ziemlich unkonventionelles Denken. Viele Welten kommen zusammen. Ich war schon immer ein Bluegrass-Fan und habe an ein paar Platten mitgearbeitet.“

Und so ist es wirklich eine faszinierende Musik. Der typische Hip Hop-Beat und Rap-Gesang mischt sich mit am Bluegrass orientierten Mandolinen- und Banjospiel. Musik, die mitreißt und beschwingt. Musik, die Einheit in Vielfalt will.

Fazit: Gangstagrass will Genre- und Rassengrenzen überwinden. Ihr Erfolg – gerade auch als Liveband, stimmt hoffnungsvoll für diese ansonsten so zerrissenen „Unheimlichen Staaten von Amerika“.

Gangstagrass – The Blackest Thing On The Menu: Das 2024er Album

Gangstagrass – The Blackest Thing On The Menu

Künstler: Gangstagrass
Album: The Blackest Thing On The Menue
Veröffentlichung: 14. Juni 2024
Label: Rench Audio
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 10
Genre: Bluegrass & Hip Hop, Americana

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Trackliste: (The Blackest Thing On The Menu)

01. The Only Way Out Is Through
02. Good at Being Bad
03. Obligatory Braggadocio
04. Up High Do or Die
05. Mother
06. Gone Gone
07. Avenue Boy
08. Palette
09. It’s Alive
10. Sankofa

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Über Thomas Waldherr (818 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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